OPTIMISMUS | Energiequelle der Karriere

von Norbert Abraham

Ein oft beobachtetes Phänomen: Die meisten Menschen schätzen ihre Zukunftsaussichten optimistischer ein, als sie tatsächlich sind - zu finden im privaten Leben und auch auf der beruflichen Karriereleiter. Die Zukunft ist rosarot: Krankheiten, Einkommensminderungen oder Karrierestillstand betreffen immer nur die anderen.

US-Psychologen der New York Universität haben mit Hilfe der Magnetresonanztherapie die Hirnregionen lokalisiert, die für die himmelblaue Zukunft sorgen: der Mandelkern und eine gürtelförmige Struktur in der Großhirnrinde, das rostale vordere Cingulum (rACC). Je positiver die Zukunftsvorstellungen, desto aktiver sind diese Regionen. Bei pessimistischen oder depressiven Menschen funktionieren diese Regionen nicht richtig. Soweit die Hirnforschung.

Welche Auswirkungen hat die Erforschung des menschlichen „Optimismusfilters" auf das Erklimmen der Karriereleiter? Sehr viel! Bei einem Wechsel des Arbeitgebers werden die beruflichen Chancen oft mit zu optimistischen Erwartungen überladen: Der rosarote Filter fälscht die Wahrnehmung. Die gute Beziehung zum neuen Chef wird aus ein bis zwei Stunden Interviewtalk idealisiert; das neue Unternehmen in seinen Märkten als wachstumsstark und zukunftsorientiert überinterpretiert; organisatorische Fehlstellungen werden übersehen; das zu führende Team als besonders leistungsfähig und schlagkräftig erträumt.

Zuviel rosaroter Optimismus in der Bewertung einer neuen Aufgabe führt oft zum Bruch von Erwartungen und in der Folge zu Motivationsproblemen. Wenn Sie andere von Ihrer Kompetenz, Ihrer Erfahrung, Ihrem Können und der erfahrenen Anerkennung überzeugen wollen und das ist zwingend notwendig, wenn Sie Karriere machen möchten, dann nutzen Sie bitte den rosaroten Filter.

Die Wissenschaftler aus New York haben festgestellt, dass sich die Probanden schöne Zukunftsphantasien wesentlich lebhafter ausgemalt haben als schöne Erinnerungen. Negative Zukunftsphantasien wurden weniger intensiv wahrgenommen und eher aus der Perspektive des Beobachters denn aus der des Teilnehmers gesehen.

Mandelkern und Cingulum filtern die anflutenden Informationen und kontrollieren die Vorgänge, die Optimismus auslösen. Also: schauen Sie nach vorn, reden Sie über die Zukunft! Hören Sie auf, die Erfolge der Vergangenheit zu feiern.

Wenn Sie eines Tages vom Vorstand gefragt werden, ob sie schon so weit sind, um die Tochtergesellschaft in den US zu führen, dann schalten Sie bitte den Vorwärtsgang ein:

... „Die Absatzzahlen entwickeln sich positiv;

... die Märkte bieten hervorragende Zukunftschancen und eine deutliche Wachstumsdynamik;

... ich werde mit der Aufgabe wachsen und die Herausforderung meistern;

... Sie werden staunen, wie sich die Ergebnisse entwickeln werden!"

Der Rückwärtsgang:

... „Das Wachstum der vergangenen Jahre lässt hoffen;

... haben wir die Krisen der Vergangenheit überwunden;

... ich werde wie bei der Marktanalyse zunächst den Markt verstehen lernen und dann werde ich die richtigen Maßnahmen für den US-Markt daraus ableiten.

... Ich habe bisher immer gute Ergebnisse geliefert!"

Der Rückwärtsgang mag zwar auch passen, er bietet aber keine Lösung für den Vorstand an. Sein Optimismusfilter wird nicht angesprochen.

Nach einer jüngeren Umfrage der Universität Hohenheim beurteilen ca. 55% der befragten 1.000 Personen ihre persönliche Situation in den nächsten zwölf Monaten positiv. Aber nur jeder Dritte sieht der Entwicklung Deutschlands mit Zuversicht entgegen. Je höher das verfügbare Einkommen und umso jünger die Befragten, umso optimistischer war die Einschätzung.

Miesepeter machen keine Karriere. Pessimisten werden nicht auf den Karrierepfad geschickt.

Wenn Sie in einem Vorstellungsgespräch zu Ihrer Wechselmotivation befragt werden, schalten Sie in den Vorwärtsgang. Die „hin zu"-Argumente sind rosarot, die „weg von"-Argumente sind kraftlos und meistens wenig erbaulich.