BEWERBUNGSGESPRÄCH: Negative und hinterhältige Fragen

von Norbert Abraham

Emotionalen Druck erkennen und souverän antworten

Zur guten Vorbereitung eines Bewerbungsgesprächs gehört selbstverständlich auch der Umgang mit fiesen Fragen. Mit absichtlich unangenehmen Fragen, die den der Bewerber unter Druck setzten sollen, ihn in Stress versetzen sollen.

Wir werden oft von Kandidaten gefragt, wie sie sich auf knifflige Interviewfragen vorbereiten können. Ob es eine Methode gibt, typische Fangfragen zu erkennen. Manche denken möglicherweise an die genialen Verhörfragen aus einem „Tatort" oder an Hercule Poirot. Wie war das noch mal mit den genialen Fragen? Von hinten durch die Brust ins Auge! Fangfragen mit Überrumpelungstaktik! Gibt es diese Wunderwaffen im Bewerberinterview wirklich?

Wir haben einige typische Fragen für Sie zusammengestellt und die beabsichtigte Wirkung beschrieben. Die Antworten sollen Ihnen Ideen geben, wie Sie geschickt die Klippen umschiffen. Zu Risiken und Nebenwirkungen dieser Fragen haben wir auch Feedback unserer Kandidaten eingeholt: Wie kommt die Frage an? Wie ist die erste Wahrnehmung? Wirkt die Frage positiv und offen oder negativ und abweisend? Ist sie leicht oder knifflig?

Provokativ-aggressive Frage zu Frustrationstoleranz und Loyalität:
"Man hört, dass Ihr derzeitiger Arbeitgeber 500 Mitarbeiter abbauen wird, Sie scheinen dabei zu sein, oder?"
WIRKUNG: Provozierend und unangenehm. Üble Nachrede und persönliche Einladung zu Illoyalität kommen überhaupt nicht an. Kandidaten wissen: Der aktuelle Arbeitgeber ist ein ‚Naturschutzgebiet', nicht reingehen, keinen Müll entsorgen.
„Wissen Sie, in der aktuellen Lage kursieren viele Gerüchte. Ausschließen kann man da sicher nichts. Aber ich führe dieses Gespräch mit Ihnen nicht, um das sinkende Schiff zu verlassen, sondern um auf einem neuen Schiff anzuheuern."

Third-Party-Frage zu Selbsteinschätzung und Beziehungsfähigkeit:
"Wenn Ihr unangenehmster Chef hier am Tisch säße, wie würde er Ihre größte Schwäche beschreiben?"
WIRKUNG: Auf die Frage nach Stärken und Schwächen ist jeder vorbereitet. In der Kombination mit der Beziehungsfähigkeit wirkt sie verstärkend auf die Aufrichtigkeit der Antwort. Es könnte ja sein, dass der Dritte tatsächlich gefragt wird.
„Mein Vorgesetzter wird Ihnen gerne Auskunft über mich geben, fragen Sie ihn bitte erst zum passenden Zeitpunkt. Ich arrangiere das dann gerne. Ich sehe meine größte Schwäche im privaten Bereich: ich hätte gerne mehr Zeit, um zu lesen, für die Kids da zu sein oder um ins Theater zu gehen.

Offene, hypothetisch-perspektivische Frage zu Wechselmotivation und Passform:
"Welchen alternativen Lebensplan können Sie sich in zwei Jahren vorstellen?"
WIRKUNG: Hier ist Vorsicht geboten. Irgendwann kommt der Moment des Abgleichs: passen Angebot und Karriereerwar-tung zusammen? Kandidaten merken oft sehr schnell, ob der „Fit" stimmt. Wird unreflektiert eine Alternative beschrieben, entsteht der Eindruck, nicht motiviert oder nur zeitweilig interessiert zu sein. Diese offene Frage wird gern als Fangfrage bezeichnet.
„Ich kann mir aus dem Gespräch sehr gut vorstellen, die Aufgabe längerfristig auszufüllen. Sie kennen das bestimmt auch, solange man eine Aufgabe wirklich attraktiv und herausfordernd findet, solange denkt man nicht über Alternativen nach."

Suggestivfrage zu Kernmotiven und sozialer Abgrenzung:
"Ihr bisheriger Berufsweg zeigt, dass Sie nach Verantwortung suchen, genau so, wie die meisten Talente in Ihrem Alter, oder?"
WIRKUNG: Die Frage wirkt unverfänglich und leicht zu beantworten. Suggestivfragen werden zwar sehr oft erkannt, sie verleiten aber machmal zu einer falschen Wertung der Frage.
"Ja, ich bin gerne bereit, Verantwortung zu tragen. Ich bin mir nicht sicher, ob andere in meinem Alter generell nach Verantwortung streben. Ich habe schon anderes erlebt."

Episodisch-reflexive Frage zu Kritikfähigkeit und Ausgeglichenheit:
"Beschreiben Sie eine Konfliktsituation, in der Ihre Arbeit oder eine Ihrer Ideen heftig kritisiert wurde. Was haben Sie daraus gelernt?"
WIRKUNG: Kandidaten wissen, was sie im Interview erwartet. Die reflexiven Fragen passen zum erwarteten Fragenkatalog.
„Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich eine Kreditentscheidung aus oberflächlicher Sympathie für ein Unternehmen positiv votiert. Der Kreditantrag wurde abgelehnt, das Unternehmen war in wenigen Wochen illiquide. Ich habe damals sehr schnell gelernt, genauer hinzusehen und sorgfältiger zu analysieren."

Negative reflexiv-episodische Frage zu Kreativität und Initiativkraft:
„Sie beschreiben sich im Anschreiben als dynamisch und tatkräftig. Was darf ich mir vorstellen, wenn Sie trotz Ihrer Dynamik und Tatkraft nicht vorankommen?"
WIRKUNG: Eigene Kompetenzen in episodischer Form an gut vorbereiteten Beispielen zu entfalten ist Standard. Unangenehm wird empfunden, wenn Positives über Negativbei-spiele erfragt wird.
„Als ich Mitte des vergangenen Jahr feststellte, dass das Vertriebsergebnis sehr deutlich absackte und das von mir initiierte ‚Frühbucherangebot' überhaupt nicht anschlagen wollte, habe ich trotz der Skepsis einiger Kollegen ein Direktmarketing Budget bereit gestellt, um die Kunden persönlich anzusprechen. Das hat dann doch gewirkt!

Wertungsfrage zu sozialer Kompetenz und Selbstachtung:
"Bewerten Sie Anerkennung, die Sie von Ihren Mitarbeitern/ Kollegen/ Chefs täglich bekommen, auf einer Skala von eins bis zehn."
WIRKUNG: Selbsteinschätzung wird als angemessen betrachtet. Die Skala ist für manchen sehr ungewohnt. Ist eine zehn zu viel und eine sieben zu wenig? Anerkennung ist hart erkämpft, man bekommt sie nicht von jedem.
„Da ist eine differenzierte Antwort notwendig: Bei einigen meiner Mitarbeiter bin ich mir einer wirklich deutlich wertschätzenden Anerkennung sicher. Bei den anderen überwiegt eine positive Grundeinstellung. Doch gibt es ein paar wenige, die mir neutral, selten auch negativ gegenüber stehen. Grundsätzlich liegt mir sehr viel daran, mit anderen auszukommen und geachtet zu werden."

Spiegelfrage mit offener Vermutung:
„Ich habe aus Ihrer Antwort den Eindruck, dass es zwischenmenschliche Gründe gibt, die Sie zu einem Jobwechsel veranlassen. Habe ich Recht?“
WIRKUNG: Positive Spiegelfragen transportieren die eigene Wirkung im Gespräch und gelten deshalb als konstruktiv. Werden sie jedoch mit einer aus der Luft gegriffenen Vermutung kombiniert, nimmt sie der Kandidat als hinterlistig wahr.

„Pardon, was genau hat Ihren Eindruck ausgelöst? Leiten Sie daraus ab, dass ich zwischenmenschlich nicht in das Suchprofil passe?“

Provozierende Alternativfrage mit zweifacher Sackgasse:
„Warum möchten Sie sich beruflich verändern? Entspricht das jetzige Gehalt nicht Ihren Vorstellungen? Oder reizt Sie bei uns die größere Zahl ihrer möglichen Mitarbeiter?“
WIRKUNG: Fragen dieser Art werden als sehr „schräg“ und gemein bewertet. Manche reagieren darauf emotional und haben Mühe, ihre Haltung zu wahren.

„Weder ein höheres Gehalt noch die Zahl der Mitarbeiter bestimmen meine Entscheidung. Mir ist wichtig, Freiraum zu haben und Ressourcen einsetzen zu können, um mir Anerkennung und Respekt zu erarbeiten.“

Mehrfachfragen zur Eingrenzung von Neigung und kommunikativer Kompetenz:
„Als Controller sind Sie wahrscheinlich mathematisch-analy­tisch begabt, oder? Wie Sie wissen, kommt es bei dieser Aufgabe besonders auf die transparente Darstellung an. Sehen Sie Probleme, Ergebnisse zu vermitteln? Oder würden Sie auf Grund Ihrer Erfahrungen lieber technologienah arbeiten?"
WIRKUNG: Mehrfachfragen werden oft als unpräzise und unsinnig verstanden. Oft wird eine sympathische, unverbindliche Antwort gegeben, ohne wirklich sicher zu sein, was bei diesen Fragen tatsächlich wichtig war. Ungenaue Fragen werden generell als sehr negativ von den Kandidaten bewertet.

„Bitte welche Frage zuerst? Soll ich alle drei beantworten? Wenn ich es kurz machen darf: Ja! Nein! Nein! Wenn Sie meine Präsentationskompetenz ansprechen und hinterfragen, dann möchte ich den Ball zurückspielen. Warum adressieren Sie dieses Thema so deutlich?“

Differenzierungsfrage zum „leading egde“:
„Warum sollten wir uns ausgerechnet für Sie entscheiden?“
WIRKUNG: Hier fühlt sich die Mehrzahl der Kandidaten aufgefordert, besondere Kompetenzen nochmals in den Mittelpunkt zu rücken. Wenige merken, dass hier die Auswahlkriterien des Fragenden in den Mittelpunkt gehören.

„Weil Sie denjenigen einstellen werden, der genau die gesuchten fachlichen Erfahrungen mitbringt. Der die Bandbreite der Führungsaufgabe so sicher beherrscht, wie Sie es erwarten und der in die Kultur des Unternehmens genau so hinein passt wie Sie es beschrieben haben.“

Differenzierungsfrage zu persönlicher Neutralität und Beachtung von Spielregeln:
„Was bieten Sie, was uns andere Bewerber nicht bieten?"
WIRKUNG: Die Frage nach den Qualitäten der Anderen wird oft falsch verstanden. Wer fröhlich in das Naturschutzgebiet hineinläuft, wird die nächste Auswahlrunde nicht erreichen.

„Ich kann Ihnen leider nicht abnehmen, mich mit anderen zu vergleichen. Das steht mir nicht zu. Ich kann aber gerne zusammenfassen, warum ich die Aufgabe für attraktiv halte.“