DAS ANTI - CHARISMA | Karrierehindernisse verstehen

von Carmen Abraham

Menschen streben nach beruflichem Erfolg! Das ist in der heutigen Leistungsgesellschaft nicht nur akzeptiert, sondern für viele eine wesentliche Maxime ihres Handelns. Wer möchte schon von sich aus und bewusst erfolglos sein? Es tut zu weh, zu den Verlierern zu gehören! Trotz aller Bemühungen bleiben jedoch für Manche die Türen zum beruflichen Erfolg verschlossen, denn sie sind echte „Anti-Charismatiker“: Menschen, die sich selber im Wege stehen.

Anti-Charismatiker reproduzieren immer und immer wieder karrierehinderliche Verhaltensmuster, die sich besonders in Konflikten offenbaren. Gerade in anstrengenden, stressvollen Situationen verstärken sich Persönlichkeitsmerkmale wie mangelndes Einfühlungsvermögen, Konfrontation, Härte, Unbeweglichkeit, Heiß-Kalt-Tendenzen um ein Vielfaches.

Anti-Charismatiker haben eine selektive Wahrnehmung in Konflikten

Konflikte sind integraler Bestandteil unserer Berufswelt und sichern, wenn sie sich im Gleichgewicht zu einem gesunden Miteinander befinden, wertvolle Entwicklungs- und Veränderungschancen. Konflikte an sich sind also eher eine positive Herausforderung. Zum Problem werden sie durch Menschen, die auf der Beziehungsebene nicht in der Lage sind, ein konstruktives Arbeitsklima zu schaffen.

Konflikte werden kämpferisch auf der Sachebene ausgetragen. Es entsteht eine Dynamik, die eine friedliche und lösungsorientierte Einigung verhindert. Es ist eine wahre Kunst, in Konflikten die Beziehungsebene im Auge zu behalten und zielsicher zu kommunizieren. Eine Kunst, die die Anti-Charismatiker kaum beherrschen.

Untersuchungen über das Verhalten von Menschen in Konfliktsituationen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Versuchspersonen glaubt, den eigenen Vorteil durch striktes Beharren auf der eigenen Position ausbauen zu können und dies selbst dann noch, wenn Misserfolge schon absehbar sind.

Dabei gehen anti-charismatische Konfliktpartner nach dem Prinzip vor, eigene Vorteile durch die Niederlage des Gegenübers erzielen zu wollen – dabei nimmt ihre Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit mehr und mehr ab. Im Zuge steigender Spannung betrachten sie Innen- und Außenwelt durch einen sich ständig verengenden „Tunnelblick“. Ihre Betrachtung wird einseitig, selektiv, verzerrt. Sie schätzen Situationen falsch ein, senden irreführende Signale und treffen risikoreiche oder falsche Entscheidungen.

Werfen wir einen Blick auf das positive Ende der Sympathieskala, auf die Lichtgestalten, auf die Charismatiker, um das riskante Verhalten der „Sich-im-Wege-Steher“ auch von dieser Seite besser zu beleuchten. Die Charismatiker verfügen über sehr hohe soziale und kommunikative Fähigkeiten. Sie haben eine positive Einstellung zu sich selbst und zu anderen, und sie fügen sich harmonisch in Gemeinschaften ein, weil sie gern und mit echtem Interesse auf Menschen zugehen. Sie kommen gut mit anderen aus, denn sie verfügen über Einfühlungsvermögen. Charismatiker betrachten Ansichten, Fähigkeiten und Kenntnisse ihres Gegenübers als Bereicherung des eigenen Lebens, nicht als Bedrohung ihres sozialen Status.

In Konflikten beherrschen sie Techniken, wertschätzend und lösungsorientiert zu kommunizieren, ohne dabei „weichzuspülen“ oder Probleme auszusitzen.

Sie wirken zugänglich und sympathisch, weil sie anderen mit Respekt und Toleranz begegnen: im privaten Freundes- oder Bekanntenkreis genauso wie in beruflichen Gemeinschaften. Sie finden rasch die Anerkennung der anderen.

Anti-Charismatiker in Konfliktsituationen

Überheblichkeit und andere Entgleisungen

Wenn wir uns ein wertendes Urteil über jemanden erlauben, geschieht dies in der stillschweigenden Annahme, dass wir etwas „Besseres“ sind, dass wir „Macht“ haben und „über“ der bewerteten Person stehen. Anti-Charismatiker tendieren dazu, apodiktisch zu bewerten.

Dazu zählen im Ansatz gut gemeinte Phrasen wie „Sie sind ein guter Mitarbeiter". Die Verletzung entsteht aus den ungleichen Positionen von Sender und Empfänger. Der Sender maßt sich ein allgemeines, in diesem Falle auch gütiges Werturteil an, ohne es jedoch mit einem konkreten Inhalt zu belegen. Woher nimmt er das Recht? Es ist eine sehr allgemeine Aussage, der jeglicher Bezug zu einem spezifischen Inhalt fehlt und hinterlässt beim Empfänger den Eindruck, "von oben herab", wie ein Kind behandelt zu werden.

Eine andere Form der Überheblichkeit ist, jemanden zu beruhigen, zu bemitleiden oder zu trösten. "Alles wird gut." "Wird schon wieder.“ „Ich verstehe Ihr Problem.“ Diese Bemerkungen beinhalten, dass der Beruhigende meint, über die Lage eines anderen besser Bescheid zu wissen als dieser selbst.

Den anderen zu bewerten und zu etikettieren "jubelt den Anti-Charismatiker hoch" und stuft sein Gegenüber herunter. "Ich glaube, Sie haben nicht ganz verstanden." „Sie geben sich einfach nicht genug Mühe.“ „Sie behaupten das nur, weil Sie die Grundlagen nicht kennen.“

Auch Ironie gehört auf die Liste der Untugenden von Anti-Charismatikern, denn sie stellt eine aggressive Herabsetzung des Gesprächspartners dar. Angeblich freundliches Scherzen kann daneben gehen und zu verletzten Gefühlen führen. Ironische Bemerkungen verhindern ein offenes Gespräch und gehören in die gleiche Kategorie wie Beleidigungen, Verhöhnungen und Beschämungen - denn sie provozieren beim Empfänger das Gefühl, unterlegen zu sein.

Anti-Charismatiker setzen falsche Signale

Sie drohen: "Wenn Sie dies nicht verändern…." oder "Es wäre für Ihre Karriere wirklich besser, wenn Sie …". Drohungen dieser Art - entweder ausdrückliche oder subtile, zum Beispiel angedeutete "Entweder-oder-Botschaften" - sorgen dafür, dass Menschen sich verletzt oder unter Druck gesetzt fühlen. Dies stört die Kommunikation nachhaltig und hat zur Folge, dass sich die bedrohten Menschen wehren. Sie werden Gehorsam verweigern, sie werden demotiviert ihre Arbeitsleistung reduzieren, wenn nicht sogar die innere Kündigung einreichen.

Sie erteilen ungebeten Ratschläge: "Sie sollten unbedingt beachten …", "Sie müssten …", "Haben Sie auch versucht …" oder "Wenn Sie bedenken, dass…., dann werden Sie …“. All das klingt moralisierend, besserwisserisch, arrogant – von Motivation keine Spur.

Sie befehlen: „Berichten Sie bis morgen um 8:30!“ „Sie müssen den Kunden eben überzeugen!“ Dieser Führungsstil wirkt autoritär und hierarchisch. Je nach Persönlichkeitsprofil wird der Befehlsempfänger entweder mit einer aggressiven Antwort oder widerstrebendem Gehorsam reagieren. Manche treten in Bummelstreik.

Sie überrollen: Sie drängen andere höflich, aber dominant in die von ihnen gewünschte Richtung. Dies geschieht meist durch eine logische, aber durch einseitig manipulative Argumentationskette. Die Aussagen sind so aufgebaut, dass der andere stillschweigend annimmt, weil ihm kein Raum gelassen wird, sich inhaltlich zu äußern. Er wird durch die Dominanz der Argumente einfach überrollt. „Sie stimmen doch zu, dass die Bewertung dieses Risikos eine Frage der Erfahrung ist. Sie haben drei Jahre Erfahrung, ich hingegen 30. Also…“

Anti-Charismatiker nutzen die Technik der Vermeidung

Sie halten Informationen zurück nach dem Motto "Nie mehr als notwendig!“. In der Vergangenheit mag „Herrschaftswissen“ Macht und Einfluss gesichert haben, im Informationszeitalter, in dem jeder vielfältigen Zugang zu Informationen hat, ist die persönliche, kontextbezogene und offene Information der Mitarbeiter jedoch zwingend notwendig. Intranet, Internet, „Flurfunk“, Social Media bringen die Fakten ans Tageslicht – aber vielleicht in unerwünschter Form! Machtspiele und falsche Überlegenheitsgefühle richten Schaden an.

Anti-Charismatiker verstehen es, vage zu bleiben. Sie sagen nicht, was sie wirklich denken und stehen nicht zu ihrer Botschaft. "Jeder weiß, dass …." oder "Die Meinung des Vorstands ist, dass…." sind Beispiele dafür, wie sie vermeiden, sich zu ihrer eigenen Meinung zu bekennen oder wie sie sich Macht „ausleihen“. Der Gesprächspartner soll herumrätseln, was eigentlich gemeint oder gewollt ist. Und er darf beim Raten gerne Fehler machen.

Der Anti-Charismatiker lenkt ab und zieht sich auf oberflächliche Themen zurück, wenn ein Gespräch sehr emotional oder persönlich wird. Der Gesprächspartner soll die Ablenkung bemerken und dadurch sein Interesse an der Auseinanderssetzung verlieren.

Charismatiker in Konfliktsituationen

Charismatiker kommunizieren respektvoll und mit Achtung

Charismatiker spezifizieren Lob oder Tadel. Sie begründen, was sie mögen oder nicht mögen. Sie befassen sich mit Tatsachen, anstatt Meinungen und Deutungen zu verwenden. Sie benutzen neutrale Wörter und zollen dem anderen durch Körpersprache, Tonfall und Wortwahl Respekt.

Charismatiker begegnen anderen Menschen aus einer Haltung der gegenseitigen Achtung. Sie reden weder von "unten herauf" noch von "oben herab" mit anderen. Sie vermeiden jegliche herablassende Wirkung, sondern kommunizieren auf gleicher Ebene. Arroganz ist ihnen fremd.

Charismatiker widerstehen der Versuchung, andere Menschen oder ihr Verhalten zu etikettieren. In Konflikten beschreiben sie ihre Sicht klar und deutlich, ohne Deutung oder Wertung. Sie bleiben bei den Tatsachen, und sie gehen eventuell auf die Wirkung ein, die eine Situation ausgelöst hat. Charismatiker sagen, was sie wirklich meinen.

Charismatiker verstehen es, die richtigen Signale zu senden

Sie sind empathisch und drücken ihre Botschaft so aus, dass der andere leicht versteht, warum etwas getan oder unterlassen werden soll.

Sie konzentrieren sich soweit wie möglich auf das Ergebnis, das sie erzielen möchten und überlassen dem anderen den Weg zum Ziel. Denn sie wissen, dass Menschen nach Autonomie und Freiraum streben.

Wenn Charismatiker unbedingt einen ungebetenen Rat erteilen möchten, dann bitten sie zuerst um Erlaubnis: "Haben Sie etwas dagegen, wenn ich meine Erfahrungen mit Ihnen teilen?" oder "Möchten Sie gerne hören, wie ich das Thema angehen würde?".

Wenn gute Gründe dafür sprechen, dass jemand etwas tun bzw. lassen sollte, dann erklären Charismatiker ihm dies. Sie schildern ihm auch mögliche Konsequenzen und zwar auf eindeutige und faire Weise. Sie ermuntern anstatt zu drohen.

Charismatiker sind klar und offen

Sie reden Klartext! Die Schlüssel dazu sind gegenseitige Achtung, Empathie, Klarheit über die eigenen Motive und Ziele, Identifikation mit den eigenen Botschaften.

Wenn Charismatiker Informationen besitzen, die jemand anderem nützlich sein könnten, dann geben sie diese offen und ohne eine Gegenleistung zu erwarten, weiter. Sie verstehen sich als Informationsquelle und sind neugierig, ob der andere ihnen Neues zu bieten hat.